Brotlose Kunst
Als der junge Pablo Picasso nach Paris kommt, hat er noch lange nicht seinen Stil gefunden. Diesen Stil, den wir alle kennen und für den er so weltberühmt geworden ist. Im Jahr 1900 erreicht er die große Stadt und existiert in den nachfolgenden Jahren mehr als dass er wirklich und intensiv lebt. Picasso macht eine spannende Zeit durch, die allerdings geprägt ist durch immerwährende Versuche, als Künstler einen Fuß in die Tür zu bekommen und einem langsam aber stetigen Abwärtstrend folgt, was ihn selbst als Person und auch seine Kunst betrifft. Seine Muse Fernande, der er erstmals in Paris begegnet, muss so einige Male über den Gestank und Dreck, der den Künstler und vor allem seine Bleibe im Montmartre oft wie eine Wolke umgibt, hinwegsehen. Aber nach einer langen Reise findet der Maler schlussendlich seinen ganz eigenen Weg Kunst zu transportieren. Sich selbst zu verwirklichen und die Kunstwelt zu revolutionieren. 1907 malt er „Les Demoiselles d’Avignon“.
Fernande
Hätte ich den Titel für die Pablo-Comics wählen dürfen, wäre er nicht Pablo, sondern Fernande gewesen. Julie Birmant und Clément Oubrerie erzählen in ganz wundervollen Bildern, Di- und auch Gedankenmonologen vom Künstlerleben des jungen Pablo Picasso, beginnend mit seiner Reise nach Paris im Jahr 1900, die er zusammen mit seinem Freund Carles Casamegas unternahm. Dabei wird bereits der Einstieg in diese Pablo Gesamtausgabe in einer Rückblende aus Sicht von Fernande erzählt. Der Frau, die später Pablos Muse sein sollte und die in ihrem Leben viele Namen getragen hat. Ein großer Teil des Buches wird von Berichten aus ihrer Perspektive bestritten, der andere Teil aus der Sicht des Protagonisten Pablos. Da mich die Teile, in denen Fernande die führende erzählende Kraft ist, mehr berührt haben, kann es sein, dass dies nur ein subjektiver Eindruck ist. Für mich aber, ist Fernande in dieser Graphic Novel die maßgeblichere Stimme. Vielleicht bot sie einfach mehr Potential zur Identifizierung für mich, das kann ich nicht genau festmachen. Ihr Blick von „außen“ auf den jungen Pablo hat mir allerdings mehr über ihn und auch sie erzählt, als die Teile in denen Picasso berichten durfte, es geschafft haben.
Gekonnt haben Autorin und Autor in ihren urspünglich vier Bänden, die hier in einer Gesamtausgabe erschienen sind, ein Bild der Künstlerszene im Paris des frühen 20. Jahrhunderts erschaffen. Wer sich besser in dem Metier auskennt als ich, wird bekannte Namen wie den Maler und Dichter Max Jacob, den Künstler Henri Matisse (im Buch ein Kontrahent Pablos) und die Mäzenin Gertrude Stein, die Picassos Kreativität glühend verehrte, wieder erkennen.
Oubreries Zeichnungen sind unbedingt erwähnenswert. In den kleinen Panels wissen sie eine Fülle der damaligen Zeit abzubilden und in vereinzelten großformatigen Bildern zeigen sie von seiner großen Kunstfertigkeit. Auf diesen Seiten bin ich häufig fasziniert und gerne hängengeblieben. Die zumeist gedeckten Farben (von Sandra Desmazières) haben dem gesamten Buch einen trotzdem lebendigen Anstrich gegeben.
Zusammengenommen ist Pablo voller wunderbarer Zeichnungen und erzählt seine Geschichte gut. Ich wäre gerne begeisterter, insgesamt faszinierter, das blieb aber leider aus, auch wenn ich nach dem Lesen meine, viel mehr über den zeitlichen Schauplatz und das Leben auf dem Montmartre zu wissen als zuvor. Getragen wurde dieses Buch eindeutig von Fernande, der meine volle Sympathie gilt.
Anzeige
Pablo Gesamtausgabe
Szenario – Zeichnungen – Leseprobe
Julie Birmant / Clément Oubrerie / Sandra Desmazières
Übersetzung aus dem Französischen von Claudia Sandberg
Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebseite: Pablo bei Reprodukt
Noch ein paar Details und Genre
Erschienen 2018 im Reprodukt Verlag, ISBN 978-3-95640-163-3, 352 farbige Seiten, Hardcover, Euro 39
Comic. Graphic Novel. Comicbiografie.
Das Buch habe ich als kostenfreies Rezensionsexemplar erhalten.
Meine Meinung ist davon völlig unbeeinflusst.
No Comments
Mit Absenden deines Kommentars akzeptierst du meine Datenschutzbestimmungen.