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Graphic Novels / Comicrezension

Der Berg der nackten Wahrheiten – Jan Bachmann

Comic, daneben ein silberner Bilderrahmen mit einem Schwarzweiß-Bild eines Ziegenbocks

Um 1900 befand sich eine Kommune auf dem Monte Veritá, die von (mindestens) zwei Besonderheiten geprägt war. Alle Menschen in der Gemeinschaft verschmähten Nahrung tierischen Ursprungs und liefen den ganzen Tag – und sicher auch die ganze Nacht, wenn sie denn wach waren – nackt herum.

© Jan Bachmann / Edition Moderne

Gusto Gräser rebelliert als Teil der FKK-Gemeinschaft geradezu, als er das Leben einer für die Schlachtbank vorgesehenen Ziege rettet, und diese als zukünftig (so hofft er) erste befreite Ziege der Geschichte mit sich auf den Berg im Tessin nimmt. Im nahegelegenen Ascona, dem Herkunfsort der Ziege mit Namen Parsifal, ist Gusto fortan als Ziegendieb verschrien. Er soll das Diebesgut herausgeben, es sei denn, er kauft sie frei! Aber wie soll ein mittelloser Früh-Hippie zu Geld kommen? Einem nackten Mann kann man nicht in die Tasche greifen und so weiter – ist ja bekannt und trifft im Übrigen ebenso auf nackte Frauen zu.

Vom Glück verfolgt trifft Gusto auf den Schnapsbaron und hört von seiner unerfüllten Liebe für die Waschfrau. Der Baron würde Parsifal freikaufen, jedoch kann er sein Erbe erst antreten, wenn er verheiratet ist. Sofort wittert Gusto die vielleicht einzige Chance seine (übrigens im Gegensatz zu Gusto sehr schlaue) Ziege zu retten und gleichzeitig eine Schnapsdrossel mit seiner Angehimmelten zu verkuppeln. Dann mal los.

Parsifal for Superstar

© Jan Bachmann / Edition Moderne

Jan Bachmann erzählt in seiner Graphic Novel durchaus von historischen Begebenheiten, auch wenn ich während der ersten 60 Seiten mit jedem Umblättern mehr daran gezweifelt habe. Nicht nur sind die Zeichnungen sehr expressiv und in ihrer Verrücktheit manchmal bis nahezu zur Unkenntlichkeit verzerrt. Auch inhaltlich geht es sehr skurril zu. Dazu kommt ein Lettering, das für mich stellenweise schwer und oft einfach nur mit besonderer Anstrengung lesbar war. Auf was hatte ich mich da eingelassen?

Ab der Mitte änderte ich meine Einstellung zur Story und bemerkte, dass eben diese verstörenden Elemente, das Absurde und das sehr Schräge in den Gesprächen wohl genau der Humor des Comics waren. Von dem Moment an, in dem ich akzeptierte, dass Bachmann es auf die Spitze trieb und mit seinem Szenario noch eine gute Strecke drüber hinaus ging, hatte ich richtig Spaß mit Gusto, Parsifal und den anderen Tieren.

Die Geschichte des Monte Veritá

In den Anmerkungen ergänzt der Autor Details über die in seiner so schräg wirkenden Geschichte verarbeiteten realen historischen Hintergründe, Zitate und Figuren. Und auch über die von ihm erfundenen Inhalte. Zurückblickend wurde mir beim Lesen dieser Erläuterungen bewusst, mit welch großem Geschick Bachmann die Geschichte des Montes in eine unterhaltsame und gut unterfütterte Story verpackt hat. Beim nächsten Comic aus seiner Hand freue ich mich dann schon von Beginn an auf diesen Aspekt. Der absurde Humor kommt mir durchaus entgegen.

Dem farbigen Comicteil schließt sich neben den genannten Anmerkungen auch ein in schwarz auf weiß skizziertes Gespräch zwischen dem ehemaligen Besitzer des Monte Veritás Eduard von der Heydt und Werner von Rheinbaben an, in dem die beiden sich im Jahr 1958 unter anderem Gedanken über Geschäfte und ihre Besitztümer machen. Heydt vererbte den Monte Veritá schließlich an den Kanton Tessin. Der Anmerkung zum Epilog ist zu entnehmen, das dieser auf dem Interviewbuch Auf dem Monte Veritá basiert.

Der Berg der nackten Wahrheiten kann (anfangs) verstören, wobei einem der auf dem Cover präsentierte rasierte Ziegenhintern eigentlich schon einen entscheidenden Hinweis geben könnte. Mir ist die auf dem Hintern platzierte Glanzlackierung übrigens erst nach der Lektüre aufgefallen. Ganz ähnlich also, wie sich auch der gesamte Band erst nach dem Lesen der letzten Seite bei mir setzen konnte. An die schwer lesbare Handschrift, die zu Beginn, im Epilog und den Anmerkungen Anwendung findet, konnte ich mich aber bis zum Schluss nicht gewöhnen. Bleibt also insgesamt dann doch etwas sperrig.

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DER BERG DER NACKTEN WAHRHEITEN
Jan Bachmann
erschienen 2019 in der Edition Moderne
125 Seiten, farbig, Softcover Klappenbroschur
ISBN 978-3-03731-194-3
24 Euro
Webseite des Autors Jan Bachmann
Erhalten als kostenfreies Rezensionsexemplar
Meine Meinung ist davon unbeeinflusst, was sonst.
© Jan Bachmann / Edition Moderne

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