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Comicrezension

Wenn Hass sich manifestiert – INFIDEL

Cover zeigt Frau in rot, bedroh von einer grauen untoten Hand über ihr

Aisha ist geplagt von Angst. Kaum war sie gemeinsam mit ihrem Freund Tom und dessen Tochter Kris zu seiner Mutter gezogen, begannen die Alpträume. Ihr neues Zuhause befindet sich in einem alten Block, der bereits in der Vergangeheit Ort eines Verbrechens war. Ein Nachbar soll sich mit einer Bombe selbst in die Luft gejagt haben. Nicht gerade ein gemütlicher Ort um einen Neuanfang zu starten. Zudem scheint sich Toms Mutter nicht so recht mit Aishas Glauben abfinden zu wollen. Und auch einige andere Mieter beäugen sie äußerst misstrausisch, wenn sie Hijab trägt. Tag für Tag wird Aishas Angst größer und die Alpträume nehmen keine Rücksicht mehr darauf, dass sie doch nur während des Schlafs auftauchen sollten. Sie manifestieren sich, und es kommt zu einem – dem ersten – schrecklichen Unglück

Spukhaushorror neu gedacht

Im Grunde liefert Infidel klassischen Spukhaushorror, jedoch in aktuellem Gewand. Aber was unterscheidet den Comic denn eigentlich von seinen nicht so modernen Verwandten? Es gibt ein Haus, einen Fluch und einige Opfer, soweit das Altbekannte. Die Unterschiede aber liegen in der Thematik und den Figuren, die sonst leider selten in Storys vertreten sind. Eine Muslima in der Rolle der Protagonistin, die mit ihrer Freundin gleichen Glaubens im Zentrum eines Horrorszenarios steht – ich habe das so noch nicht gelesen. Hier wird gleich mehrfach mit dem oft üblichen Einheitsbrei gebrochen: Frauen in den Hauptrollen, eine davon schwarz, beide Muslima und eine in Hijab. Aisha bäumt sich zudem gegen ihre Mutter auf, die eine Beziehung mit einem Mann, der nicht an den Islam glaubt, nicht gut heißt. Eine Mutter, der sie nicht muslimisch genug ist und sie nicht als Tochter anerkennt. Alles Stoff, der mich sofort neugierig auf den Comic gemacht hat.

Einerseits spielt Pichetshote in seinem Szenario mit üblichen Horrorklischees, andererseits denkt er neu und lässt eine gute Portion Realität in seine Story. Denn Islamfeindlichkeit, Rassismus, Angst – all dies begleitet unsere Leben jeden Tag. Als Betroffene, als Angefeindete, als Diskriminierende. Dass sich wohl niemand davon gänzlich frei machen kann, serviert Infidel uns auf dem Silbertablett.

Und nicht zu vergessen ist, dass es sich hier um Horror handelt. Nicht mein favorisiertes Genre, aber mich hat dieser besondere Aspekt, dass der blühende Hass den umgehenden Horror nährt und diesem selbst womöglich als Allegorie dient, gelockt. Campbells Zeichnungen, deren Stil er szenenbasiert wählt, setzen Pichetshotes Erzählung gut ins Bild, lassen Traum, Wirklichkeit und Unfassbares einerseits voneinander abgrenzbar und dann doch ineinander verschwimmen. Auch wenn ich mit der Auflösung nicht ganz im Einklang bin, ist Infidel gut gemachter wichtiger Stoff und zeigt, wieviel mehr dieses Genre kann als einfach nur schocken.

Auf den letzten 26 Seiten wartet dann noch ein schickes Extra mit einem Nachwort von Jeff Lemire, einer (fast schon obligatorischen) Covergalerie, Infos zum Entstehungsprozess und dem original Pitch der Autoren.

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INFIDEL
Pornsak Pichetshote
Aaron Campbell
übersetzt von Katrin Aust
erschienen am 1. August 2020 im Splitter Verlag
168 Seiten, Farbe, Harcover
ISBN 978-3-96219-493-2
24 Euro
Erhalten als Rezensionsexemplar

Weitere Rezensionen zum Comic findet ihr bei diesen Kolleg*innen:
Bella’s Wonderworld
Bizzaro World Comics
I am Nerd (Videoreview)
Life4Books
Nerd mit Nadel

INFIDEL © Pichetshote & Campbell / Splitter Verlag

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2 Comments

  • Bücherflocke
    12. März 2021 at 15:32

    Wow das klingt super! Horror ist zwar auch nicht so meins, aber die aktuellen Bezüge hier klingen spannend. Hätte ich nur mehr Zeit zum Lesen … seufz …
    Herzliche Grüße,
    Die Flocke

    Reply
    • booknapping
      14. März 2021 at 09:27

      Hi Flocke,
      wir können halt nicht alles lesen … Mir fällt die Auswahl auch immer schwer. Aber schön, dass du neugierig geworden bist. Vielleicht liest du im Comicladen mal rein und liest dich fest :-)
      Liebe Grüße
      Sandra

      Reply

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