Back in Crongton
Mo Baker lebt mit ihrer alleinerziehenden Mutter in South Crongton, einem Londoner Vorort. Seit kurzem hat diese mal wieder einen neuen Typen – Lloyd. Und dieser ist sehr schlagkräftig. Als Mo zum zweiten Mal die von ausgehende körperliche Gewalt spüren muss, hat sie die Schnauze voll. Sie verlangt von ihrer Mutter, dass sie diesen brutalen Kerl endlich rausschmeißt und sich um sie kümmert. Um SIE! Schließlich ist sie ihre Tochter und … Mo möchte doch eigentlich nicht mehr als ein angenehmes Zuhause.
Ihr bester Freund Sam, der schon immer eine Etage unter ihr lebt, ist ihr eine große Stütze. Zu ihm kann sie immer gehen. Sie kennen sich schon ewig und letzten Sommer ging da sogar mehr. Mos großer Traum ging in Erfüllung, sie liebt Sam – vermutlich hat sie das schon immer getan. Aber sie waren nur kurz zusammen und es blieb ein Geheimnis. Jetzt hat er eine Neue. Sicher lässt sie ihn dran, denkt sich Mo. Und sie ist auch immer aufgetakelt, hält sich mit ihrer Weiblichkeit nicht zurück. Wahrscheinlich will sie jeder an der Schule. Kein Wunder, dass Sam sich nicht auf „diese Art“ für Mo interessiert.
Aber mit der Gewalt Lloyds Mo gegenüber kann es definitiv nicht weitergehen. Erst kürzlich hat er ihr so eine geknallt, dass sie aus dem Bett geflogen ist. Mo ist stinksauer. Lässt sich sogar von ihren Freundinnen Elaine und Naomi überreden zur Polizei zu gehen, bricht die Aktion aber ab. Eine fatale Entscheidung, wie sich nur kurze Zeit später herausstellt. Die Situation eskaliert. So richtig. Immer mehr.
„Nein! So darf das nicht enden“, widersprach Elaine. „Und wenn ich dich eigenhändig auf die Wache zerren muss, dann mach ich das.Hör mir zu! Du darfst nicht zulassen, dass irgendein Mann mit so einer Scheiße davonkommt …“
Zitat von S. 52
Gewalt – Bandenkriminalität – Freundschaft
Wer braucht ein Herz, wenn es gebrochen werden kann ist der dritte Band in der Crongton-Reihe des britischen Autors Alex Wheatle. Jedes der bisher drei Bücher kann für sich allein gelesen werden. Allerdings lohnt es sich nicht nur wegen der wiederkehrenden Charaktere auch die jeweils anderen Bände zu lesen. Ich bin in der „Mitte“ eingestiegen, kenne beim Verfassen dieser Rezension den ersten Teil (Liccle Bit) noch nicht und war direkt mit Die Ritter von Crongton (Crongton 2) eingestiegen.
In diesem dritten Teil wechselt Autor Alex Wheatle erneut die Erzählperspektive, schwenkt dabei auf Mo Baker, die beste Freundin Sams (den ich aus den Rittern kannte), um. Auch Mo wohnt mitten im Brennpunkt, in Crongton. Arbeitslosigkeit und Bandenkriminalität bestimmen die Szenerie. Eine gewisse Trostlosigkeit wohnt in vielen Herzen der Menschen in Crongton, egal in welchem der miteinander verfeindeten Teile sie leben.
Auch Wheatles dritte Protagonistin, die in Wer braucht ein Herz, wenn es gebrochen werden kann aus ihrer Perspektive erzählt, hat sich mit der Wirklichkeit abgefunden oder sollte ich besser sagen arrangiert? Im Grunde passen wir Menschen uns stets den Begegebenheiten an. Man gewöhnt sich sozusagen an Gewalt, selbst an kriegsähnliche Situationen, wie wir immer wieder in Dokumentationen und Nachrichten sehen. Was bleibt einem auch anderes übrig, als einfach sein Leben zu leben, wenn doch kein Ausweg zu sehen ist?
Ebenso ist es auch in Crongton. Somit ist nicht verwunderlich, dass Mo trotz der Brutalität des neuen Freunds ihrer Mutter nicht direkt zur Polizei flüchtet. Warum sie wartet, zögert, sich zurückhält. Und warum sie so einiges aushält. Dass dies aber nicht der richtige Weg ist, es andere Möglichkeiten gibt – für jede und jeden! Genau davon berichtet uns Alex Wheatle auf schonungslos ehrliche und zugleich so herzerwärmend eindringliche Art.
Und wieder bin ich schwer begeistert von Wheatles Erzählkunst, von seiner Art uns Lesenden die brutale Realität vor Augen zu halten. Er verwendet Slang, bleibt dabei im Text aber immer lesbar und ich weiß gar nicht, wie oft ich schmunzeln musste über die Schlagfertigkeit seiner jungen Held*innen.
Trotz der allgegenwärtigen Gewalt, die immer wieder zu weiterer Gewalt führt und in Ohnmacht über die eigenen Taten mündet. Trotz der in vielen Seelen verbreiteten Trostlosigkeit und Traurigkeit. Trotz all dessen, ist so unendlich viel Liebe auf den Seiten dieses Buches zu finden. So viel über Freundschaft und Zusammenhalt. Die Stimmen dieser jungen Menschen können uns allen etwas über das Leben lehren. Ich kann den Roman von Herzen empfehlen.
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Wer braucht ein Herz, wenn es gebrochen werden kann
Geschrieben von
Alex Wheatle
Autorenportrait von der Webseite des Verlags Antje Kunstmann (Link):
Alex Wheatle wurde 1963 in Brixton geboren und wuchs größtenteils in einem Kinderheim auf. Mit 16 gründete er ein Reggae Soundsystem und trat unter dem Namen Yardman Irie auf. Während der Brixton Riots wurde er verhaftet und verbrachte einige Zeit im Gefängnis, wo er seine Liebe zur Literatur entdeckte. Er hat mehrere von der Kritik gefeierte Romane veröffentlicht, bevor er sich der Jugendliteratur zuwandte. Er lebt mit seiner Familie in London.
Übersetzt
aus dem Englischen von Conny Lösch
Originaltitel: Straight Outta Crongton
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- wenn ihr mehr in Menschen seht als das Äußere preisgibt
- ihr ein Buch sucht, das Vorurteile und Unterschiede in uns allen thematisiert
- wenn ihr eine authentische Stimme über ein Thema erzählen hören möchtet, die ziemlich sicher weiß, wovon sie spricht
- wenn ihr authentische Protagonistinnen erleben möchtet
Eine Leseprobe gibt es hier beim Verlag Antje Kunstmann
Noch ein paar Details
Erschienen im März 2019 im Verlag Antje Kunstmann (Hardcover mit Schutzumschlag, ISBN 978-3-95614-286-4, 268 Seiten)
Es gibt zwei eigenständige Vorgängerromane Liccle Bit. Der Kleine aus Crongton und Die Ritter von Crongton.
Wer braucht ein Herz, wenn es gebrochen werden kann habe ich als kostenfreies Rezensionsexemplar erhalten. Meine Meinung ist davon völlig unbeeinflusst.
2 Comments
Mi
11. Mai 2019 at 07:27Es ist echt noch zu früh, wenn das Gehirn aus „Londoner Vorort“ Lord Voldemort macht, oder? O:)
Der Titel des Buches erinnert mich an irgendwas, aber ich konnte bisher nicht rausfinden, an was. In jedem Fall klingt es wirklich spannend. Ich notiere das mal für unsere Kids in der Schule. Danke! & liebe Grüße ^_^
Mi
booknapping
11. Mai 2019 at 17:57Liebe Mi,
es erinnert dich sicher an Tina Turners „What’s love got to do with it“ ;-) Es ist eine Zeile aus dem Song.
Die drei Crongton-Titel sind sicher was für die Schulbib!
Liebe Grüße
Sandra
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