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Buchrezension / Literatur

Die Herzen der Männer von Nickolas Butler

Die Herzen der Männer Titelbild. Buch auf einem Kissen in grau

Anlässlich seines dreizehnten Geburtstags hat Nelson Einladungen an die Mitglieder seiner Pfadfindertruppe verteilt. Und auch, wenn er es sich dieses Mal anders erhofft hatte, passierte es doch wieder. Es erschien niemand. Einzig seine Mutter versuchte ihn zu beschwichtigen, versuchte mit an den Haaren herbeigezogenen Erklärungen, die ferngebliebenen Jungen zu entschuldigen. Wusste sie doch, dass einfach niemand mit ihrem Sohn näheren Kontakt wollte. Litt mit ihm darunter. Wusste, dass er ein Außenseiter war, der gehänselt und verhöhnt wurde. Bis jedoch inmitten Nelsons tränenreicher Verzweiflung, nur unterbrochen durch Sticheleien und „Lebensweisheiten“ seines kaltherzigen und schlagfreudigen Vaters, doch ein Gast in den Garten trat: Jonathan.

Jonathan war ein paar Jahre älter als Nelson, gehörte ebenfalls zur Truppe und war anerkannt in der Gemeinschaft. Ganz anders also als Nelson, der nur mit dem Spitznamen „Trompeter“ betitelt wurde und eher als Abtreter für die Launen der anderen Jungen herhalten musste. Es sollte schließlich soweit gehen, dass er im Camp später für eine verlorene „Wette“ in eine Latrine abtauchte, um einen dort versenkten Nickel zu suchen.

Sogar ein Geschenk hatte Jonathan dabei. Er blieb nur kurz, entschuldigte sich schon bei der Ankunft, dass er gleich wieder los müsse. Hatte bei all dem eigentlich eher Mitleid mit Nelson als wirkliches Interesse. Aber so verbanden sich zu diesem Zeitpunkt ihre Leben auf eine besondere Weise miteinander. Beiden Männern, ihren Kindern bis hin zu den Enkeln folgt dieser Roman aus größter Nähe.

Immer wieder fassungslos

Nach Shotgun Lovesongs ist Die Herzen der Männer Nickolas Butlers zweiter Roman und obwohl ich sein Debüt bisher nicht gelesen habe, machten mich besonders die emotional geprägten Ankündigungen des Buches neugierig. „Ein zärtliches, einfühlsames Buch – eine wunderbare Lektüre.“ betitelte beispielsweise das People-Magazin diesen Roman, wie der Klappentext verrät. Hinzu kamen außerdem sehr viele positive Meinungen zum Erstling.

Auf den letzten Seiten hat mich Die Herzen der Männer zu Tränen gerührt, nachdem ich lange Zeit immer wieder fassungslos den vielen Unglaublichkeiten, die besonders Nelson erleben musste, handlungsfähig gegenüber stand. Diese Hilflosigkeit, diese teils sogar schockierenden Erlebnisse und Erniedrigungen, die Nelsons Leben immer wieder prägten machten mir zu schaffen. Auch rückblickend werde ich vermutlich genau aus diesen Gründen einige Stellen und beim Lesen durchlebte Emotionen nicht vergessen. Weitere Schicksale gilt es bei der Lektüre zu verarbeiten, dieser Roman eignet sich nicht als leichte Unterhaltung für einen sonnigen Strandaufenthalt. Einen solchen Allgemeinplatz möchte er auch gar nicht belegen. Vielmehr möchte er von tiefen Emotionen, Schicksalen und vom Leben berichten. Von der Tragik, die vielen Leben innewohnt.

„Die Gefühle und Empfindungen, die ich habe, die wären dann vielleicht natürlicher, verstärkter, würden sich vielleicht sogar auf einer Art molekularen Ebene bewegen. Sie wären tief in mir verwurzelt. Ich nehme an, genau das ist es, was die Leute Liebe nennen.“
Die Herzen der Männer, S. 120

Uns Leser_innen kann das nicht leicht fallen, soll es auch nicht. Tatsächlich fiel es mir in dem mittleren Drittel des Buches schwer, am selbigen dran zu bleiben. Ich hing anfangs sehr an Nelsons Weg als Jugendlicher und junger Mann. In der Mitte des Romans schwenkt die Perspektive zunächst stark auf Jonathan und dessen Sohn Trevor, der mir zu dem Zeitpunkt ungewohnt fern blieb und zu dem ich keinen Bezug aufbauen konnte. Ich verlor zeitweise das Interesse an den handelnden Personen. Nach diesem Durchhänger in der Mitte fing es sich dann aber wieder, der Kreis begann sich zu schließen. Nelson und Jonathans Sohn Trevor glichen sich schließlich so sehr in ihrem Wesen, dass ich sie selbst bei Nennung der Namen stellenweise nicht mehr voneinander unterscheiden konnte. Sehr beeindruckend.

Nur Klischees?

Die Herzen der Männer ist ein gekonnt komponierter Roman, dem eines der US-amerikanischen Klischees schlechthin – das Pfadfindertum – als Grundstock dient. Trotzdem versteckt sich der Autor nicht hinter diesem und auch anderen im Roman berührten Klischees, sondern nutzt sie auch, um sie anzuprangern – wenn auch das Ganze eher mit angezogener Handbremse passiert.

Frauen sind in dieser Erzählung eher wenig vertreten. Wenn dann eher in Nebenrollen oder – doch wieder – Klischee-typischen Situationen. Aber es geht hier nun mal hauptsächlich um Männer, also dürfen sie auch einen großen Teil einnehmen. Dennoch ist die Mutterliebe der Söhne ein zentrales Thema. Ich habe dies oft ebenfalls als Klischee empfunden, werde das nach diesem Roman aber nochmal überdenken.

Ein bewegendes Buch mit für mich ein paar Tränen am Ende und nur sehr langsam verblassenden Eindrücken.

Die Herzen der Männer

Geschrieben von

Nickolas Butler

Übersetzt …

aus dem Amerikanischen von Dorothee Merkel

Originaltitel

The Hearts of Men

Genre und Leseprobe

Gegenwartsliteratur.
Eine Leseprobe steht auf der Webseite des Verlags zur Verfügung: Die Herzen der Männer bei Klett-Cotta

Noch ein paar Details

2018 erschienen im Klett-Cotta Verlag (Hardcover, ISBN 978-3-608-98313-5, 477 Seiten)

Gelesen …

… ausschließlich zu Hause.

Die Herzen der Männer Cover

© Nikolas Butler / Klett Cotta Verlag

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