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Science Fiction / Highlights

Lyneham von Nils Westerboer

Buch liegt neben einigen Stickern, die Motive aus dem Buch zeigen und zwei handgefertigten Lesezeichen

Ob Nils Westerboer wohl jemals einen Roman schreiben wird, den ich seiner Wirkung, seinem Inhalt, seinem Gesamten in einer Inhaltszusammenfassung gerecht werden kann? Ich fürchte nicht. Und ich hoffe nicht.

Lyneham hat mich von Beginn an gepackt. Mich festgehalten, niemals losgelassen, mich mit jeder Seite, jedem Absatz mitgerissen. Ich bin Teil der Erzählung geworden, bewegte mich in Angst über die Oberfläche Perms, ahnte von schlimmen Folgen des Absturzes und wahnte mich gleichzeitig in Sicherheit – in der kleinen Familienblase, die Charles Meadows um sich und seine drei Kinder Henry, Chester und Loy formte.

Ihr seht – ich bin schon wieder mittendrin … Lyneham startet mit einem Crash. Die Ankunft des Raumschiffs, das zur Kolonisierung des Mondes Perm ausgesendet wurde, läuft nicht reibungslos und die Landemodule schlagen mehr auf der Oberfläche ein, als dass sie in dem für sie vorbereiteten Ökosystem sanft zu Boden kommen. Die Luft ist nicht atembar, irgendetwas Unsichtbares scheint die Menschen anzugreifen, hinterlässt blutende Wunden und nur knapp erreichen sie das rettende Biom.

Wieso aber ist nicht alles vorbereitet für die von der Erde Geflüchteten? Auch Familie Meadows verließ den Planeten als „der Weltraum kam“. In festem Glauben, hier auf Perm eine neue Heimat zu finden …

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Titel: LYNEHAM
Autorin: Nils Westerboer
Erschienen: 15. März 2025
Verlag: Hobbit Presse – Klett-Cotta
Ausgabe: Paperback, Klappenbroschur mit Karte, 596 Seiten, 18 Euro, ISBN: 978-3-608-98723-2
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Lyneham © Nils Westerboer / 2025 Hobbit Presse – Klett-Cotta Verlag

Als der Weltraum kam

Die immer wiederkehrende Erwähnung des Fluchtgrunds hatte beim Lesen auf mich eine nachhaltige Wirkung. „Als der Weltraum kam“ – ja, was war denn da? Welche Bedrohung hat die Menschen fliehen lassen? Während ich der Erzählung aus der Sicht des jungen Henry folgte, spürte ich seine Anstrengung direkt nach der Bruchlandung, seine Angst konnte ich ahnen. Als die Sauerstoffreserve immer knapper wurde, fing ich selbst an, die Luft anzuhalten, stellte mir vor, wie die Meadows-Familie in Todesangst versuchte in Sicherheit zu gelangen. Aber wo konnte diese sein, auf einem Mond, der nicht „fertig“ war? Ich spürte die tiefe Verzweiflung und wilde Entschlossenheit des Vaters, seine Kinder zu beschützen. Wollte am liebsten selbst unterstützen – rannte aber anstatt dessen in Hilflosigkeit durch die Zeilen, durch den Mondstaub Perms.

Loy nahm mir die Maske weg und presste sie sich vors Gesicht. Papas Anzug war mehr rot als weiß. Er verstellte etwas an der Anzeige der beiden Masken, die uns geblieben waren, und fluchte. Die eine zeigte 369 an, die andere 145.
Aus der 145 wurde eine 144, als Chester einen Atemzug nahm, und ich begriff die Zahlen.

Lyneham, S. 53 von Nils Westerboer © 2025 Hobbit presse – Klett-Cotta Verlag

Wie ich Nils kenne, wird er perfekt recherchiert haben, wenn er exobiologische (ist das überhaupt die richtige Bezeichnung?) Fachbegriffe verwendet. Ich selbst habe mich einfach drauf eingelassen, sie so hingenommen, nicht nachgelesen, mich auf den Autor verlassen. Ich brauchte die Erläuterungen nicht, fühlte mich stets mitten in Lyneham – in der trügerischen Sicherheit des Bioms. Warum diese trügerisch ist und welche Plot-Twists Nils Westerboer uns Lesende hier in der immer spannenderen und höchst intelligent komponierten Story zumutet, werde ich ganz sicher in dieser Rezension nicht preisgeben.

Leseprobe Prolog auf Foto (lesbar auch auf der Webseite des Verlags)
Lyneham – Beginn des Prologs © Nils Westerboer / 2025 Hobbit Presse – Klett-Cotta Verlag

Aber so viel darf ich verraten, ohne dass der Lesegenuss getrübt wird: Lyneham hat es geschafft, dass ich nicht aufhören wollte. Ich kann Bücher gut zur Seite legen, etwas anderes tun, lasse mich ablenken. Für Lyneham aber ließ ich nahezu alles liegen. Die Situation auf Perm spitzte sich immer mehr zu, Fädchen, die der Autor zu Beginn in die Absätze streute, wurden später wieder aufgenommen, verzwirnten sich, wurden zu dickeren Fäden. Verzweigten sich und verbanden sich zu einem sich immer weiter ordnenden Geflecht.

Zu gerne würde ich von meinen Gedanken zu einigen Geschehnissen berichten. Aber ich schone euch, ihr solltet die Unfassbarkeiten selbst erleben! Nils, was hast du da nur geschaffen? Grandios, nahbar und das trotz der Gegensätzlichkeiten zu irdischem Leben. Das Ganze in einer Umgebung, die uns Menschen geradezu abstößt – wobei … das stimmt eigentlich nicht – vielmehr eine Umgebung, der wir völlig gleichgültig sind. Aber stopp – auch das stimmt nicht. Tatsächlich stören wir auf Perm. Sind Vernichter mit den terraformenden Maßnahmen. Ach, wir wissen doch, wie das geht, das Terraformen oder was macht die Menschheit mit „unserer“ Terra? War dies womöglich der Grund, weshalb „der Weltraum kam“? Ich verrate nichts.

Schaut in den Spiegel, den Lyneham uns vorhält. Blickt ins Gesicht der Egoisten, entdeckt das Kämpferische in unseren Zügen. Reflektiert. Und dann … ja dann, erlebt, dass es auch anders geht. Oder doch nicht?

Athos 2643 habe ich geliebt. Lyneham setzt noch eins obendrauf. Perfekt, fundiert, grandios, überraschend – ein Highlight, ein Meisterwerk der Science Fiction. Bin gespannt, wieviele Preisgelder der Autor dieses Mal mit seinen Kindern teilen muss (siehe mein Interview mit Nils Westerboer) – ich hoffe und ahne, es werden einige sein.

Ich würde mir wünschen, Nils Westerboer würde rund um die Uhr schreiben. Aber die Reserven sind knapp, zu viele Wünsche sind entropisch höchst bedenklich und so schreibe ich nur einen auf die Epithymia:

Wenn schon, dann nach Perm!

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