Stürmisch ist das Meer an dessen Ufer Nils lebt. Der Himmel ist dunkel, das Wetter harsch und der Boden karg. Nur wenige Menschen leben in dem kleinen Dorf und trotzen der widerspenstigen und scheinbar mittlerweile lebensfeindlichen Natur. Es entsteht kein neues Leben mehr, kein Saatkorn keimt, keines der Tiere hat Nachkommen und keine der Frauen wird mehr schwanger.
Die Situation ist unerträglich, das gesamte Dorf droht zu verhungern, auszusterben. Doch Jonah, Nils Vater, wird nicht müde, immer wieder Saatgut zu verteilen. Er gibt nicht auf und macht sich schließlich zusammen mit seinem Sohn und seinem Falken auf die Reise, um nach den letzten Zeichen wachsenden Lebens zu suchen. Sollte er keinen Erfolg haben, ist es unumgänglich, die Natur wird sterben. Und das Reich Cyan ist daran sicher nicht unschuldig.
Ich weiß, was du über meine Arbeit denkst, Nils, aber die Natur liegt wirklich im Sterben. (Jonah)
Nils Band 1, S. 15
Meisterlich gezeichnet und koloriert
Mit „Elementargeister“ startet eine neue Serie bei Splitter, die mich sofort angesprochen hat, als ich die Ankündigung im Katalog des Verlags entdeckt habe. Sowohl das dystopische Thema als auch die zartgetuschten und ausdrucksstarken Bilder haben mich beeindruckt. Beim Lesen schließlich hat mich jede Seite mit dem zauberhaft schönen Artwork von Antoine Carrion gefangen genommen. Und ich ließ mich äußerst gerne „einfangen“ und festhalten, denn die der Natur entnommenen Farbsymphonien in blaugrünen Tönen strahlen eine besondere Magie aus. Carrion zeichnete und kolorierte diesen Band meisterlich und nutzt dabei unterschiedliche Farbgebungen für die zwei auftretenden Parteien. Die mit der Natur im Einklang lebenden Völker und die mit ihren technischen Errungenschaften feindlichen Herrscher des Reiches Cyan. Carrions Spiel mit dem Sonnenlicht ist zudem in meinen Augen überirdisch schön. Mir fehlten die Worte beim Anblick vieler der Panels, in denen er auch mal ungewöhnliche Perspektiven, wie der mit Blick von oben, gewählt hat.
Splitter hat für „Nils“ ein mattes festes Papier gewählt und auch der Umschlag ist bis auf einen dezenten glänzenden Effekt auf dem Titel matt. Dadurch entsteht auch haptisch ein natürlicher Eindruck.
Märchenhaft schön und zugleich erschreckend im Szenario
Die Ökologie unseres Planeten, das Verhalten der Menschheit gegenüber der Natur, die Langzeitfolgen der Industrialisierung begleiten uns in der Realität wie in der Literatur. Szenarien, in denen die Natur auf die Probe gestellt wird, sie letztendlich zu Grunde gerichtet wurde von den Menschen, finden sich in Romanen, die damit sogar die sogenannten Bestsellerlisten anführen. So ist beispielsweise derzeit „Die Geschichte der Bienen“ auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste und „Die drei Sonnen“ von Cixin Liu wird mit Preisen überhäuft (zu Recht!).
Jérôme Hamon erzählt in „Nils“ von einer Welt, in der es bereits nur noch eine Minute vor zwölf zu sein scheint. Kein neues Leben keimt mehr, die Welt ist menschenfeindlich geworden und doch zeigt er, dass die Hoffnung noch nicht ganz aufzugeben ist. In einer Mischung aus märchenhafter und zugleich endzeitlicher Fantasy nimmt er uns LeserInnen an der Seite von Nils mit, um nach den letzten Funken Lebens zu suchen. Nils und sein Vater Jonah geben die Hoffnung nicht auf und investieren alles was sie können – teils mit schwerwiegenden Folgen. Und auch wenn über uns in der realen Welt (wahrscheinlich) keine nordischen Göttinnen wachen und kein feindlicher Herrscher mit Kampfmaschinen unsere Wälder nieder macht, in denen Minuten zuvor noch magische Elementarwesen tanzten, wirken die naheliegenden Parallelen doch schmerzhaft nach.
Zauberhaftes Gesamtkunstwerk
Mit „Nils Band 1: Elementargeister“ ist eine Serie gestartet, deren erster Band sich für mich als perfekt komponiertes Gesamtkunstwerk zeigt. Thematik, Zeichnungen, Farben, Papier – alles passt harmonisch zusammen. Ich lese selten Klappentexte und wenn, dann bin ich häufig mit ihnen unzufrieden. Auf der Rückseite von „Elementargeister“ aber, sind die richtigen Worte gefunden worden. Und der Bezug zu Miyasaki („Mein Nachbar Totoro“, „Das Schloss im Himmel“, „Prinzessin Monoke“ uvm.) ist nicht zu hoch gegriffen.
Wunderschön und bedingungslos empfehlenswert.
Legende, Erinnerung, das Gleichgewicht zwischen der Welt der Menschen und der Welt der Götter – „Nils“ ist eine schimmernde Saga über das Reich der Natur, angesiedelt zwischend er nordischen Mythologie und den Werken von Miyazaki.
Klappentext „Nils Band 1: Elementargeister“
Nils Band 1: Elementargeister
Getextet und gezeichnet von
Jérôme Hamon und Antoine Carrion
Übersetzt von
Swantje Baumgart (aus dem Französischen)
Genres und Leseprobe
Fantasy, Ökologie, Phantastik
Leseprobe auf der Webseite des Splitter Verlags: „Nils“ Band 1 bei Splitter
Noch ein paar Details
Erschienen 01.05.2017 im Splitter Verlag, ISBN 978-3-95839-510-7, 56 Seiten, Eur 14,80, Hardcover, Farbe
Eine weitere Rezension gibt es z. B. in diesem Blog:
Friedhof der vergessenen Bücher: NILS: Elementargeister 1 [Comic-Rezension]
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