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Comicrezension

Kathy Austin in Südamerika – Amazonia: Episode 1 (Rodolphe/Leo)

Comic inmitten von Pflanzen. Auf dem Cover eine Dschungellandschaft, eine Frau durchquert sie auf einem Boot

1949 Brasilien. Ein toter Mann wird vom Amazonas in einem kleinen Dorf angespült. Er war Fotograf und fremd hier. Um der Todesursache auf den Grund zu gehen, macht sich der im Dorf lebende Reverend mit der Kamera des Toten auf nach Manaus. Eine ganze Tagesreise liegt die Großstadt entfernt, doch ist dies der am schnellsten erreichbare Ort, um den Film des Fotografen entwickeln zu lassen.

Zwei Stunden nachdem der Film zur Entwicklung gebracht wurde, hält der Reverend die Fotos in der Hand. Und sie zeigen Unglaubliches! Ein Mutant blickt in die Kamera. Groß, weiß, unförmig. Wie kommt dieser in den tiefen Dschungel? Ist er gefährlich? Hat er den Fotografen getötet?

Kathy Austin, die unlängst von einem Auftrag aus Namibia zurückgekehrt ist, besucht ihre Eltern in England. Diese werden nicht müde, ihre abenteuerlustige Tochter endlich zur Vernunft zu bringen. Einen potentiellen Ehemann haben sie ebenfalls eingeladen. Es kann doch nicht sein, dass ihre hübsche Tochter sich in der Welt rumtreibt und ihre Möglichkeiten als sorgende Ehefrau und Mutter verpasst. Es wird höchste Zeit, dass Kathy sesshaft und eben vernünftig wird. Als sie nach nur kurzem Aufenthalt am Telefon verlangt wird und von einer neuen Mission hört, in der sie dringend benötigt wird, nimmt sie dies zum Anlass sofort abreisen zu müssen. Raus aus der kleinbürgerlichen Enge des elterlichen Hauses und dem Zwang, den ihre Eltern und auch die Gesellschaft ihr auferlegen wollen.

Es geht nach Brasilien. Wer sonst wäre besser geeignet als sie, wenn es um Unglaubliches geht?

Dritte Reihe im Zyklus – kann da jeder einsteigen?

Mit der ersten Episode der Reihe „Amazonia“ erscheint beim Splitter Verlag ein weiterer Band aus den Universen des Künstlers Leo, die bisher nicht ins Deutsche übertragen wurde. Die, wie die zwei Vorgängerserien „Kenya“ und „Namibia“ auf fünf Bände angelegte Reihe ist noch in der Entstehung, weshalb bisher auch nur für den zweiten Band ein Erscheinungstermin genannt ist (Januar 2018). Obwohl „Amazonia“ auch auf dem Cover als dritter „Kenia“-Zyklus benannt wird, kann jede der drei Reihen bedenkenlos auch ohne die Kenntnis der anderen gelesen werden. Zwar gibt es immer wieder Querverweise, diese sind für die Handlung aber nicht von so großer Relevanz, dass sie für das Verständnis der Storys nötig sind. Warum übrigens auf dem Cover oben rechts „Kenia“ statt „Kenya“ steht, was der ursprüngliche Name des Zyklus ist und auch an anderer Stelle so verwendet wird, bleibt mir unklar. Vielleicht soll die angekündigte Neuübersetzung der ersten „Kenya“-Reihe nun „Kenia“ heißen? Bisher gibt es diesen ersten Teil nämlich noch nicht beim Splitter Verlag, was aber nachgeholt werden soll. Spätestens dann können alle 15 Bände in gleicher Ausgabeart im Regal stehen.

Cover des Comics daneben eine große weiße Dahlienblüte

Kathy Austin schlägt zu

Ganz sicher bin ich nicht, in meiner Erinnerung aber, habe ich Kathy Austin bisher nie in einen Faustkampf verwickelt gesehen. Das ändert sich mit diesem Abenteuer, in dem die Geheimagentin zeigt was in ihr steckt als sie angegriffen wird. Leos Frauenfiguren sind einfach großartig und so auch die Protagonistin Kathy Austin. Sie ist selbstbewusst, stellt sich gegen die gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit (Mitte des 20. Jahrhunderts), lebt und genießt ihr Leben. Erfreulich ist, dass sie immer auch einigen, wenn auch wenigen, Personen begegnet, die ihrer modernen Persönlichkeit gewachsen sind. Ich bin froh, dass dieser für mich so wichtige Teil in Leos Szenarien auch bei der Zusammenarbeit mit anderen Künstlern, wie hier mit Rodolphe, erhalten bleibt.

Allerdings ist diese erste Episode mit gesellschaftskritischen Aspekten noch etwas zurückhaltend. Zwar ist einer der Schauplätze das „verruchte“ und damals als Spielerparadies geltende Manaus, in dem sich die wenigen anwesenden Europäer arrogant über die einheimische Bevölkerung stellen, jedoch standen Diskriminierung und Unterdrückung bei anderen Titeln des Künstlers noch stärker im Vordergrund. Vielmehr wird am Anfang wieder einmal deutlich, wie ungewöhnlich doch die freie und selbstbestimmte Lebensweise der Protagonistin in dieser Zeit ist. So ganz sind derartige Sichtweisen ja selbst heute noch nicht aus den Köpfen einiger Menschen verschwunden. Es sollte viel mehr Frauen wie Kathy Austin in der Literatur geben. Ich möchte mehr davon!

Zurück nach Brasilien

Mit „Amazonia“ begibt sich Leo mit einem Szenario zum ersten Mal in sein Geburtsland, Brasilien, das er mit Ende 30 Richtung Frankreich verließ. Ob seine mystische Story im brasilianischen Dschungel durch eigene Erfahrungen geprägt ist, kann ich nur ahnen, vermute aber doch eine fundierte Kenntnis des Landes dahinter.

Die Geschichte entwickelt sich langsam, es ist ja auch fünf Bände lang Zeit, und startet erneut an verschiedenen Schauplätzen parallel. Der mystische Aspekt ist dabei nicht wegzudenken und auch bereits auf dem Backcover ersichtlich. Auch wenn die dort über Canyons gleitenden Ufos nicht so recht zum Cover und Inhalt von Amazonia zu passen scheinen, gehören sie natürlich mindestens zum übergeordneten Kenya-Zyklus.

Marchals Zeichnungen passen wie gehabt gut zu Leos und offensichtlich auch zu Rodolphes Stil, wenn ich auch nicht weiß, welche Teile von ihm stammen und wie stark sein Einfluss, wie groß sein Anteil am Szenario ist. Ich spüre beim Lesen auf jeden Fall Leo aus den Panels sprechen. Bouët koloriert wieder den Stimmungen entsprechend passend und ich liebe weiterhin seine blauen Himmel.

Einen echten Cliffhanger bietet dieser Comic nicht, auch ist das mystische Dschungelabenteuer nicht zum Haare raufen spannend. Aber „Amazonia“ startet doch sehr gut, macht neugierig und bringt das meiste von dem mit, das ich von einem Leo erwarte. Größtenteils durch seine Protagonistin Kathy Austin. Weiter geht es dann im Januar 2018.

Leo/Rodolphe/Marcal – Amazonia: Episode 1, erschienen 01.07.2017 im Splitter Verlag, ISBN 978-3-95839-550-3, 48 Seiten, Eur 14,80
Eine Leseprobe gibt es auf der Webseite des Splitter Verlags: Amazonia: Episode 1

Cover, das eine Frau auf einem Boot mitten im Dschungel zeigt

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